Archiv für den Monat: Mai 2013

Letzter Tag in Warschau

14.05.2013

Zurück im Hostel sehe ich, dass beide Betten bereits vergeben sind aber von meinen Mitbewohnerinnen ist nichts zu sehen. Ich mache es mir auf meinem Bett gemütlich und surfe ein wenig im Internet. Nach einer Weile kommt die erste Mitbewohnerin, eine junge Russin. Sie ist in Warschau beruflich unterwegs. Nach ihrem Studium in Polen macht sie jetzt in Stockholm ihre Doktorarbeit in Kommunikationswissenschaften. Dafür reist sie jetzt für zwei Wochen durch  Polen und macht Interviews für ihre Arbeit. Sie spricht perfekt Polnisch, Englisch und natürlich Russisch und kann auch ein bisschen Tschechisch, da sie dort mehrere Monate ein Praktikum gemacht hat.

Kurz gegen 21 Uhr erscheint auch die letzte Mitbewohnerin. Sie heißt Kyung und kommt aus Südkorea. Seit 10 Jahren wohnt sie aber in Wien, ist mit 15 Jahren alleine nach Europa gezogen. Sie freut sich jemanden getroffen zu haben mit dem sie Deutsch reden kann und ich mich auch. Sie hat an der Musikhochschule in Wien Klavier studiert und möchte in Warschau einige Semester an der Frederic Chopin Musikuniversität Kurse belegen und sich für den internationalen Chopin Wettbewerb in 2015 vorbereiten. Dieser Wettbewerb findet alle 5 Jahre in Warschau statt und gehört zu den angesehensten Klavierwettbewerben der Welt. Kyung ist bereits das zweite Mal in Warschau, beim ersten Mal hat sie Vorgespielt, jetzt ging es um die Formalitäten wegen ihrer Einschreibung.

Sie möchte morgen wieder nach Wien fahren, hat aber noch keine Fahrkarte und befürchtet dass es auch schwierig wird eine zu kaufen, weil am Schalter niemand Englisch spricht. Wir beschließen, dass wir morgen gemeinsam zum Bahnhof gehen und ich ihr dabei helfe. Ich möchte mich auch noch informieren von wo mein Nachtbus nach Vilnius abfährt. Ich bin ganz überrascht wie viele Menschen auf „Dienstreisen“ in Hostels übernachten, ich dachte immer Hostels sind was für Backpacker, oder für Touristen mit schmalem Budget. Ich werde aber auch noch in der Zukunft eines Besseren belehrt. Ich wäre früher nie auf die Idee gekommen mir ein Hostelzimmer zu suchen, sondern hätte immer ein Hotelzimmer gebucht. Ich muss auch gestehen, dass das meine ersten Hostelerfahrugen sind. Die Übernachtungen in Pilgerherbergen auf dem Jakobsweg zählen irgendwie nicht, da es keine richtigen Hostels waren.

Am nächsten Morgen machen wir uns also auf den Weg zum Bahnhof. Es geht vorbei an meinem Lieblingsfotomotiv dem Kulturpalast. Dieser Bau im Zuckerbäckerstill erinnert mich stark an das Woolwort Building in New York und ich könnte es den ganzen Tag aus unterschiedlichen Perspektiven fotografieren.

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Kyung entdeckt, dass die Zebrastreifen, die zum Kulturpalast führen, als Klaviatur dargestellt sind. Mir wäre es wahrscheinlich gar nicht aufgefallen. Toll was man alles sieht, wenn man mit einer Pianistin um die Häuser zieht!

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Unsere Mission am Bahnhof war sehr erfolgreich, mir gelingt es mit einem Kauderwelsch aus Tschechisch und Polnisch für sie eine Nachtfahrkarte nach Wien zu besorgen. Sie ist überglücklich, die Karte ist billiger als sie erwartet hat. Nun haben wir wenigsten das gleiche Schicksal heute Nacht. Sie darf 9 Stunden im Nachzug sitzen und ich in meinem Reisebus.

Wir beschließen den heutigen Tag zusammen zu verbringen. Ich möchte mir das Königsschloss Wilanow im Süden de Stadt anschauen und Kyung auch. Vorher müssen wir aber noch in der Musikuniversität ihre Immatrikulationsunterlagen abholen. Dort angekommen, eröffnet sich mir eine neue, bisher unbekannte Welt. Bereits beim Betreten des Gebäudes hört man eine wunderschöne weiblicher Stimme eine Arie singen, durch die Gänge ertönt der Klang einer Klarinette, zahlreiche Studenten laufen mit ihren Musikinstrumenten über die Gänge und elegante Dozentinnen schreiten über die Flure. Kyung sucht das Sekretariat und ich setze mich hin und bewundere das Treiben an diesem magischen Ort. Alles scheint so erhaben und weltfremd zu sein. Alles dreht sich nur um Musik. Ich lausche den unterschiedlichen Klängen und bin froh Kyung getroffen zu haben und mit ihr hierher gekommen zu sein. Danach bekomme ich noch eine kleine Führung durch die Universität. Kyung zeigt mir zahlreiche Übungsräume in denen fleißige Studenten an ihren Musikinstrumenten üben, oder wenn keine mehr frei sind, setzen sich die Studenten in kleinen Gruppen auf dem Gang und üben einfach dort.

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Gegen 12 Uhr fahren wir dann zum Schloss Wilanow. Der Palast liegt im Süden Warschaus und wird als polnisches Versailles bezeichnet. Wir benötigen ca. 50 Minuten mit dem Bus, die Fahrkarte kostet knapp 1 EUR. Der Eintritt ins Schloss ist mit 20 Zloty (ca. 5 EUR) auch recht günstig. Den Palast kann man in einem Rundgang, der sich über beide Etagen erstrecket, besichtigen. Wir folgen den vielen Reisegruppen und lauschen den englisch-sprechenden Museumsführerinen. Es sind zahlreiche Touristen, vor allem Amerikaner, im Schloss unterwegs. Auf Dauer ist es aber anstrengend immer in so einer großen Gruppe zu laufen und wir beschließen eine Abkürzung zu nehmen.

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Nach der Schlossbesichtigung sterben wir fast vor Hunger und gehen in ein nettes Lokal eine Kleinigkeit essen. Wir bestellen uns das polnische Nationalgericht Pierogi, eine Art Maultaschen mit unterschiedlicher Füllung. Ich entscheide mich für Hackfleisch. Das Essen war sehr lecker aber ein wenig teurer als mein gestriges Schnitzel.

Pierogi mit Hackfleischfüllung

Pierogi mit Hackfleischfüllung

Mittagessen

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Am Nachmittag fahren wir wieder in die Altstadt, schlendern durch die altertümlichen Gassen, genießen ein leckeres Softeis und vertreiben uns die Zeit bis zur Abfahrt. Im Hostel holen wir noch unser Gepäck ab, Kuyng muss schon früher zum Bahnhof, ihr Zug fährt um 20:30, mein Bus erst um 23 Uhr. Ich bleibe noch im Hostel, packe noch ein wenig um, in der Hoffnung dass der Rucksack dann nicht mehr so schwer wird und mache mich ganz langsam mit meinem schmerzenden Fuß zum Busbahnhof. Für nur 17 EUR bringt mich heute Nacht der Simple Express Bus ins 400 km entfernte Vilnius in Litauens.

 

Erster Tag in Warschau

13.5.2013

In nur 4,5 Stunden bringt mich der Eurocity für stolze 35 EUR von Ostrava nach Warschau. Zu meinem Entsetzen habe ich einen Sitzplatz in einem kleinen 6er Abteil bekommen. Und es ist bereits bis auf meinen Platz voll. Ich kämpfe mit meinen beiden Rucksäcken, es ist furchtbar eng. Wie sich aber heraus stellt, besteht der ganze Zug nur aus Abteilen und erstaunlicher Weise ist in unserem Waggon nur unser Abteil so voll. Alle anderen sind leer! Ich wechsle gleich den Platz in der Sardinenbüchse und habe bis Katowice ein eigenes Abteil nur für mich allein!

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Landschaftlich und architektonisch ähnelt Polen sehr Tschechien, vor allem im Grenzgebiet. Was ich schockierend finde ist der Zustand der Gleise. Ich werde mich nie wieder über die Deutsche Bahn beschweren! Im polnischen Zug rüttelt, schüttelt und wackelt es die ganze Zeit und ich mache mir Sorgen, dass unser Zug entgleisen könnte. Aber zum Glück passiert nichts und ich komme gut in Warschau an. Schwer beladen wie ein Packesel mache ich mich auf den Weg zu meinem Hostel Oki Doki, wo ich für ca. 15 EUR eine Nacht verbringen werde, bevor es am nächsten Tag wieder weiter in Richtung Osten geht. Auf Google-Maps habe ich mir die relativ kurze Strecke gut eingeprägt, schaffe es aber dennoch mich im Baustellen Wirrwarr zu verlaufen. Bei 26 Grad mit ca. 20 kg Gepäck auf dem Rücken komme ich aber nach einem kleinen Umweg nass geschwitzt endlich an. Ich bekomme, wie sollte es anders sein, ein wunderschönes ROSA Zimmer! Da ich die erste bin, darf ich mir auch ein Bett aussuchen.

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Nach einer kleinen Verschnaufpause geht’s dann auch gleich weiter – die Stadt und der Hunger rufen. Beim Laufen merke ich, dass mein linker Fuß mal wieder Ärger macht. Im Eiltempo mit 20 kg auf dem Rücken durch Warschau zu hetzen rächt sich eben ganz schnell. Nach einigen hundert Metern ist an normales Laufen nicht mehr zu denke, ich humple also vor mich hin. Der Schmerz ist aber in Anbetracht der vielen Sehenswürdigkeiten erträglich. Durch den wunderschönen Sächsischen Park gelange ich auf den Königsweg, Warschau’s Prachtstrasse, die zugleich die längste Repräsentationsstraße der Welt ist und von Schloss Wilanow im Süden bis zum Königsschloss in der Altstadt führt.

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Zahlreiche historische Sehenswürdigkeiten wie Paläste, Kirchen, Denkmäler und weitere Gebäude reihen sich hier aneinander. Zu den Besonderen zählen der Präsidentenpalast, die Heilig-Kreuz-Kirchen, in der das Herz von Frédéric Chopin eingemauert ist, die St.-Joseph Kirche, die Warschauer Universität, das Bristol Hotel und das Kopernikus Denkmal.

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Über den Königsweg gelange ich zum Schlossplatz und der Altstadt, die zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Sie wurde während des 2. Weltkrieges vollständig zerstört, aber originalgetreu wieder aufgebaut.

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Auf dem Marktplatz gönne ich mir endlich etwas zum Essen. Ich entdecke ein tolles Restaurant, mitten auf dem Platz mit toller Aussicht auf den gesamten Platz und die Flussjungfrau Syrenka, die Symbolgestalt der Stadt.

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Nach der Stärkung möchte ich noch unbedingt den Kulturpalast besichtigen um von ganz oben einen Überblick über Warschau zu bekommen. Ich humple also los und hoffe, dass es nicht zu regnen anfängt. Der Himmel wird immer schwarzer, dicke Wolken ziehen auf.

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Der Kultur- und Wissenschaftspalast ist das Wahrzeichen der Stadt und mit seinen 230 Metern das höchste Gebäude Polens. Bei seiner Errichtung war es sogar das Zweithöchste in Europa und seit 2000 ziert die weltweit höchste Turmuhr der Welt das Gebäude.

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Der Blick auf die Stadt von der Aussichtsplattform in 114 Metern Höhe ist traumhaft. Leider wird das Vergnügen nach ca. 10 Minuten beendet. Alle Besucher müssen wegen dem herannahenden Gewitter die Plattform verlassen. Ich mache mich also langsam auf den Heimweg, besorge mir unterwegs noch eine Kleinigkeit zum Essen und etwas zu Trinken und bin schon gespannt wer auf mich im Hostel im Rosa-Zimmer warten wird.